Donnerstag, 22. Mai 2014

Ustechko, Ukraine - oder: abgezockt, aber glücklich

20.-22.5.

Von den recht häufigen Polizeikontrollen auf der Straße habe ich ja schon geschrieben; auf dem Weg von Ivano-Frankivsk am Dienstag nachmittag waren wir nun dran.

Bisher sind wir an den Kontrollen entweder im dichten Stadtverkehr langsam vorbeigeschlichen, oder sie waren auf der anderen Straßenseite. Deshalb wussten wir nicht, dass wir an deren Stopp-Kontrolle-Schild tatsächlich anhalten müssen wie an einem Stoppschild, bis sie uns durchwinken. Auch auf grader Landstraße ohne Verkehr. Nicht gewusst, vorbeigefahren, angehalten worden.

Kommunikation ging wieder nur über Gosias Polnisch. Meine Papiere waren in Ordnung, es folgte die Belehrung über das Stoppschild. Der Polizist überlegte ein bisschen und bat mich dann zum Streifenwagen, es müsse nun ein Protokoll geschrieben werden.
Und dann wurden wir gezwungen, Bestechungsgeld zu zahlen, um das Protokoll zu umgehen - mit der Ankündigung, mein Führerschein müsse sonst einbehalten und ans Konsulat geschickt werden, bis wir die Strafe bezahlt hätten. Alternativ konnten wir nun irgendwas anbieten. 

Paul schwoll schon der Kamm und er war gewillt, sofort auf dem Feld auf der anderen Straßenseite das Zelt aufzuschlagen, um zu beweisen, dass wir Stunden und zur Not auch Tage zu diskutieren bereit sind. Gosia und ich waren aber keineswegs bereit, stunden- oder gar tagelange Diskussionen zu riskieren, und denken, dass die Typen uns bestimmt wirklich mehr Ärger machen können, als es das ganze wert ist.
Paul lamentierte, war aber überstimmt. Wir boten 200 Hrivna (die offizielle Strafe wäre 340 gewesen). Da die sofort akzeptiert wurden, wissen wir nicht, ob wir gleich viel zu hoch eingestiegen sind. Wir haben ja auch nicht so viel Übung im Polizisten bestechen. Da das aber ungefähr 12 Euro sind, ist es auch nicht so schlimm.
Paul war sauer und machte ein Handyfoto von der Geldübergabe. Ich kriegte sofort meine Papiere wieder - aber der Polizist wollte, dass er das Foto löscht. Paul hat ihn aber ausgetrickst - unten seht ihr also den frisch bestochenen Polizisten und seinen Maschinengewehr-Kollegen ;)

Im Auto diskutierten wir ein bisschen weiter. Wir hätten einfach drauf bestehen können, dass die das Protokoll schreiben, und gucken, ob sie den Führerschein wirklich behalten wollen; dass sie das dürfen, glauben wir keine Sekunde. Aber es drauf ankommen lassen...? Meh.
Ganz bestimmt können die uns auch wirklich Ärger machen, wenn sie wollen.
Dann fiel uns wieder Willis Geschichte von der 70er-Jahre-Tour ein und wie sich die Hippies an der Grenze geweigert haben, auch nur einen Kugelschreiber rauszurücken. So cool waren wir nun leider nicht. ;)
Andererseits ist das ja nicht zuletzt auch ein Machtpoker, und ich glaube nicht, dass drei uniformierte Polizisten Lust haben, ollen Touristen gegenüber klein beizugeben, nur weil die ein bisschen rumgackern. Mehr Gesicht zu verlieren und im Zweifelsfall mehr Asse im Ärmel haben wahrscheinlich die.

Da die Polizisten überhaupt nicht aggressiv und ganze Situation weder wirklich bedrohlich noch schlimm demütigend war, fand ich das alles eigentlich eher lustig. Und wir haben schließlich damit gerechnet, dass uns sowas passiert - nun ist es also kein blödes Vorurteil mehr, sondern erlebte Realität. Bitte sehr!

Und außerdem, EGAL! Wir hatten keine Zeit mehr zum ärgern oder diskutieren,  denn eine Viertelstunde später kamen wir nach Ustechko am Dnistr. Das Flusstal ist wunderschön, die Sonne scheint, hier wollten wir bleiben. Fanden eine Blumenwiese direkt am Fluss, mit Weidenwäldchen daneben. Zelt aufgebaut, Feuerholz gesammelt, Angel ausgeworfen. Wir waren sehr glücklich.

Mittwoch haben wir dann einen wahren Sommerferientag genossen, mit bestem Wetter, Sonnenbaden und Nichtstun. Am späten Nachmittag sind wir ins Nachbardorf, eine Festungsruine und einen Wasserfall angucken, und dann zurück in die Hängematte. Glücklich.

Bis auf die Polizeikontrolle sind unsere Begegnungen hier bisher nur positiv. Man darf überall zelten. Wenn wir jemanden in der Nähe sehen, fragen wir aber immer.  Meist werden wir komplett in Ruhe gelassen, ab und zu kommt mal jemand und unterhält sich ein bisschen mit uns. Wir kriegen dann oft sofort etwas geschenkt - Brot, einen Fisch - oder werden gefragt, ob wir irgendwas brauchen.

Dienstag abend trieb eine Dorfbewohnerin  ihre zwei Kühe nach Hause und begrüßte uns. Sie ist quasi unsere Nachbarin. Wir wollten Milch von ihr kaufen. Ein bisschen später brachte sie sie - frisch gemolken und euterwarm ;) - und dazu einen Becher eigenen Honig als Geschenk.
Sie heißt Marta und wir kamen auf die Idee, sie zu fragen, ob sie eine Waschmaschine hat und unsere Wäsche waschen würde, natürlich gegen Bezahlung. Sie willigte sofort ein und am Mittwoch holte sie eine Ikeatüte voll richtig schön dreckigen Klamotten ab.
Als sie sie abends zurückbrachte, stellte sich dann heraus, dass sie alles per Hand gewaschen hat. Ohje.

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