29./30. Mai
Im Osten von Moldawien, als schmaler Streifen jenseits des Dnistr, liegt Transnistrien (= trans dnistr), laut Wikipedia Gründungsmitglied der Gemeinschaft nicht anerkannter Staaten. Kein Land der Welt erkennt die Unabhängigkeit Transnistriens an; aber hier kümmert man sich nicht darum, sondern macht sein eigenes Ding. Mit Grenzen (wir mussten zum ersten Mal überhaupt das Auto verzollen) und Währung und eigenen Briefmarken - mit denen man nur innerhalb Transnistriens Post verschicken kann. Während Moldawien Rumänien sehr nahe steht - es wird rumänisch gesprochen, die Währung hat den gleichen Namen -, ist Transnistrien Russland zugewandt; laut Lonely Planet kann man hier ein lebendes Sowjet-Denkmal besichtigen. Die Währung ist transnistrischer Rubel, Amtssprache ist russisch, die Mehrheit der Bevölkerung sind Russen. Kyrillische Straßenschilder sind zurück.
Wer länger als 24 Stunden im "Land" bleiben will, muss sich offiziell registrieren. Jaja, nix lasch hier. Wir wollten aber nur 24 Stunden bleiben, von Donnerstag auf Freitag.
Und ausgerechnet in Transnistrien, direkt neben einer Soldatenkontrollstation, wo hinter Stacheldraht und unter einem Tarnnetz ein Panzer steht, sagte die Kupplung auf Wiedersehen und das Auto kackte ab. Ausgerechnet hier und zum Glück hier, denn an der Soldatenkontrollstation durfte ich grad nur 10 km/h fahren.
Ohne Kupplungspedal standen wir also da und dachten schon, jetzt werden wir hier gleich verhaftet, wenn wir nicht weiterfahren. Aber ungefähr 10 Sekunden nachdem wir den Warnblinker angemacht hatten und noch nicht mal ausgestiegen waren hielt ein Auto neben uns und der Fahrer fragte auf russisch durchs Fenster, ob wir Hilfe brauchen. Errrh; "do you speak english?"
Sprach er überhaupt nicht. Aber das hinderte ihn nicht daran, sein Auto vor unserem abzustellen und den Fall wie selbstverständlich zu übernehmen.
Er guckte sich alles an und nach kurzer Zeit war klar, dass er weiß was er da tut - und dass wir hier weggeschleppt werden müssen. Also machten wir uns auf die Suche nach der Abschleppvorrichtung, die in meiner naiven Vorstellung normalerweise an einem Auto vorn irgendwo dran ist. Nach ein bisschen Fummelei und dem entfernen der Reflektoren fanden wir dahinter dann auch irgensoeine Art Schraubdings, wo man wohl normalerweise eine Abschleppöse oder so reinschrauben kann. Haben wir aber nicht dabei.
Paul kriegte also die Aufgabe, mit einem Messer ein Loch in die Stoßstangenblende zu prokeln, damit wir da irgendwo ein Tau anknoten können, und unser namenloser und wortkarger Helfer fuhr los, ein Abschleppseil holen.
Kurz darauf war er wieder da, vertäute das Auto und erklärte mir sehr ausführlich, dass ich nur mit Handbremse bremsen darf und dabei auf keinen Fall den Knopf loslassen, und übte das auch mit mir. Er schien sehr besorgt, ob ich das wohl schaffen werde, ohne ihm hinten rein zu rollern; und als wir unterwegs waren, war ich darüber dann auch sehr besorgt. Aber wir haben es geschafft und er schleppte uns zur Werkstatt seines Vertrauens - Auto Ginecologia ;)
Hier wusste man wohl schon Bescheid und machte sich sofort daran, die Kupplung zu reparieren. Ivan - seinen Namen hatten wir dann mal herausgefunden - war offensichtlich Taxifahrer, denn er klonkte sich jetzt sein Taxischild aufs Autodach. Dann machte er sich daran, uns zu beruhigen, fragte ob wir was essen wollen, lud uns auf einen Kaffee ein und spazierte ein bisschen mit uns rum. Keine Stunde später waren wir zurück und die Kupplung war repariert.
Dafür wollte das Auto nun nicht mehr anspringen.
Also noch eine Runde Arbeit für Werkstattteam, und Ivan. Nachdem die Zündkerzen und alles mögliche geprüft waren, mussten wir unser halbes Gepäck ausladen, denn nun wurde der Tank geöffnet um die Kraftstoffpumpe anzugucken. Mit Zigarette beugte man sich drüber und meinem Kommentar dazu folgte bloß lachen und die Antwort "crazy russian people!" Der Sohn des Werkstattbesitzers konnte ganz gut Englisch, mit allen anderen inklusive Ivan war Kommunikation mehr Zeichensprache und raten was man meint.
Die Kraftstoffpumpe wurde als Übeltäter entlarvt und Ivan drehte eine Runde mit mir durch die Autoteile-Läden, um eine neue zu finden. Dann drehten wir noch eine Runde, um irgendwo Geld zu finden und unsere Helfer bezahlen zu können. In einem Land, dessen Währung von keiner Bank der restlichen Welt anerkannt wird, kann man nicht einfach am Automaten was abheben...
Aber auch das ließ sich lösen. Als wir zurückkamen, war das Auto fertig und wir haben insgesamt 90 Euro bezahlt. Für Kupplung reparieren (was da das Problem war, weiß ich nicht so genau. Irgendwas gerissen oder so? ), neue Kraftstoffpumpe, diese einbauen und ca. 3 Stunden Zeitaufwand für einen Haufen Leute.
Ivan gab uns die Hand und verschwand genauso unspektakulär wie er aufgetaucht war. Die Werkstattmeute wollte ein Abschiedsfoto und wir nutzten die Chance, noch nach den anderen Auto-Wehwehchen zu fragen. Jetzt sind wir guten Gewissens unterwegs, ohne die weggerostete Tankhalterung zu reparieren ;)
Laut Einreisezettel hatten wir noch 1,5 Stunden, bis wir Transnistrien wieder verlassen mussten. Wir gingen unsere letzten Rubel im Supermarkt für Mittagessen ausgeben und trafen - Ivan.
Sofort wurde ein Beweisfoto gemacht, nicht dass er einfach wieder abhaut. Dann lud er uns aber noch zu sich nach hause zum essen ein, er wohnte ganz in der Nähe. Da gab es ein leckeres Picknick an seinem Schreibtisch (in die Küche wollte er uns nicht lassen, zu unaufgeräumt), wir lernten seinen Bruder kennen und kurz vor Grenztermin verabschiedeten wir uns dann endgültig - nicht ohne besorgte Warnungen, dass Camping gefährlich sei und man jederzeit eine über den Kopf kriegen kann, und dem Hinweis, in Rumänien auf keinen Fall mit Zigeunern zu sprechen.
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