... oder wie wir FAST den höchsten Berg Rumäniens bestiegen hätten!
10.-14.7.
Das Wandertief in Georgien war zwar erst eine Woche her, aber hey, hier ist jetzt Rumänien, und die Făgăraş-Berge, die höchsten in Rumänien, und die verlaufen ziemlich grade von Osten nach Westen und wenn man oben ist, kann man tagelang auf über 2000 Metern auf dem Kamm entlang wandern, ohne wieder ins Tal zu müssen, und außerdem wird es spannend, weil es schwierige Abschnitte gibt; steile Felsen, die man hoch oder runter muss, oder tiefe Abgründe neben dem schmalen Pfad, oder beides. Diese Abschnitte sind mit Ketten oder Stahlseilen gesichert und es muss laut Beschreibungen die eine oder andere Basic-Klettertechnik angewendet werden. Genug Gründe, uns frisch zu motivieren. Das macht bestimmt Spaß! Hurra!
Bisher hatten wir ja immer Glück mit dem Wetter; grundsätzlich während der gesamten Reise, aber besonders, wenn wir ein paar Tage am Stück in den Bergen waren. Wir sind nie wirklich nass geworden oder in Nebel geraten oder irgendwas. Das konnte natürlich so nicht bleiben. Sonst kriegt man noch den Eindruck, in den Bergen scheint immer die Sonne, das Wetter ist beständig und man hat stets wunderbare Ausblicke. Von wegen!
Donnerstag letzte Woche brachen wir bei schönem Sonnenschein auf und entgegen unseren Befürchtungen, dass es bis zu zehn Stunden auf den Kamm dauern könnte, waren wir nach knapp 6 Stunden oben (1500 Höhenmeter!) und hatten zwischendurch sogar Zeit für Fotoposing in den Rhododendronfeldern.
In regelmäßigen Abständen gibt es auf dem Kamm Refuges, kleine ganz spärlich eingerichtete Hütten, wo vielleicht 12 Schlafplätze und sonst nix drin ist. Alle die wir gesehen haben sind nicht wirklich einladend bzw. zum Teil wirklich eher eklig gewesen, aber die sind ja auch eher für den Notfall. Neben so einem Refuge haben wir am ersten Tag unser Zelt aufgeschlagen und die Hütte selbst nur zum kochen benutzt.
Pünktlich nach dem Zeltaufbau fing es an zu regnen, dann zu hageln und zu gewittern. Das war eine sehr schöne Nacht, mitten auf dem Berg und das Gewitter irgendwo ganz nah...
Am nächsten Morgen hat es zwar nicht mehr gewittert, aber den ganzen Tag stark geregnet, und wir waren von Wolken und Nebel umgeben und konnten zum Teil bloß ein paar Meter weit sehen. Was willste da rumwandern! Wir haben befürchtet, dass die paar Klamotten, die wir dabei hatten, nass werden. Das wäre schlecht. Wir haben also auf Schlafmodus geschaltet und den ganzen Tag im Zelt verpennt (Paul und ich können das sehr gut mit dem Schlafmodus), was auch eher so semi-gemütlich war; das Zelt ist zwar dicht und wir spannen oft noch eine extra-Plane drüber, so dass es wärmer ist und auch die Rucksäcke drunter passen; aber es war trotzdem ziemlich kalt und ich hatte ungefähr 24 Stunden am Stück kalte Füße. Meh! :(
Unser Plan war, dass das Wetter am nächsten Morgen - Samstag - gut ist und wir um 6 aufstehen und losgehen. Um 6 hat es geregnet und man hat nichts gesehen und so haben wir bis um 12 weiter geschlafen und sind dann mal in die Hütte rüber, um zu frühstücken und ein bisschen dumm aus der Wäsche zu gucken.
Was tun? Noch einen ganzen Tag verschlafen, und unser halbes Essen während dem Nichtstun aufessen?
Irgendwann kam eine Gruppe von sechs Tschechen in die Hütte, um Pause zu machen. Als die wieder los sind, konnten wir uns endlich motivieren, wenigstens ein Stück zu laufen. Nach fast 48 Stunden haben wir also unser Regenlager abgebrochen und sind zwei Stunden zur nächsten Hütte gewandert. Und es war auch nicht so schlimm. Man war zwar nass, aber wenigstens mal wieder richtig warm und kommt sich nicht so blöd vor ;)
Bei der nächsten Hütte trafen wir die Tschechen wieder und weil nirgendwo ein grader Fleck fürs Zelt zu finden waren, haben wir uns letztendlich mit ihnen in die kleine Hütte gequetscht. Die Hütte lag genau unterhalb vom Mount Moldoveanu, mit 2544 Metern dem höchsten Berg in Rumänien.
Am nächsten Morgen war es immer noch neblig, aber kein Regen. Nach einem steilen Anstieg gab es einen Wegweiser; zur Spitze des Moldoveanu ging es noch 15 Minuten ab von unserem Weg. Auf dem Bild unten, wo ich in Nebel und Wind posiere, seht ihr den Moment, in dem wir entschieden haben, dass diese halbe Stunde extra für fünf Meter Sicht sich heute nicht lohnen, nur um tatsächlich auf dem höchsten Gipfel gestanden zu haben. Aber FAST waren wir da ;)
...und eine halbe Stunde später klarte es auf, und wurde ein schöner Tag. Wir haben ein großes Stück geschafft, hatten tolle Aussichten, spannende Wegstrecken und abends einen tollen Camping-Spot an einem kleinen See.
Montag, unser fünfter Tag, fing mit Sonne an; das Wetter wurde dann aber wieder schlechter, und der Weg schwieriger. Die ersten Abschnitte mit Ketten und Seilen kamen; und das machte mir zwar wirklich Spaß, aber ich war kräftemäßig auch ganz schön am Ende. Mittags waren wir, mittlerweile wieder im Regen und ohne Sicht, vor dem schwierigen, aber eben auch spannenden Wegstück angekommen, und ich wollte nicht drüber - zumindest nicht heute mit dem großen Rucksack -, und Gosia, die Höhenangst hat, wenn es sehr steil wird, hatte schon bei den vorigen leichteren Kletterpartien Probleme und wollte auch nicht. Genau vor dem Stück sind wir stattdessen also wieder nach unten.
Schade. Aber ich glaube, dass man - oder wir, als Kletterlaien und ohne Ahnung, was genau da auf uns zu kommt - sowas nur an einem guten Tag machen sollte. Und den hatte ich nicht.
Also zurück zum Auto! Da wir nicht wussten, wie weit wir auf dem Kamm wandern und wo wir letztendlich rauskommen, war unser Plan: irgendwo runter und dann einfach zurück zum Auto trampen. Das Auto stand im Ferienkomplex Sambăta direkt am Fuß der Berge, laut GPS 70 Kilometer von da, wo wir auf die Straße kamen, und vor allem auf der anderen Seite der Berge. Es gibt eine Straße durch das Gebirge, die Transfăgăras-Route; allerdings stellte sich heraus, dass hier hauptsächlich Touristen-Familien mit vollen Autos entlang kommen. Nach drei Stunden erfolglosem an-der-Straße-stehen wollten wir schon aufgeben; aber dann haben wir doch noch eine Fahrt bis auf die andere Bergseite bekommen, und dann hat uns ein junges Pärchen in seinen Daewoo Matiz gequetscht (und unsere drei Rucksäcke!) und uns die Berge runter gefahren und dann sogar noch bestimmt 25 Kilometer weiter entgegen ihrer eigentlichen Fahrtrichtung. Dann war es fast zehn Uhr und dunkel, und die letzten 9 Kilometer mussten wir laufen, denn es wollte keiner mehr anhalten (verständlich). Aber das war nicht so schlimm, es war ein warmer Abend und ein heller Mond, zwei Dorfhunde haben uns die ganze Strecke begleitet, und um halb zwölf waren wir beim Auto, dem in unserer Abwesenheit auch nichts passiert ist.
Heute ist Dienstag, wir liegen auf einer abgemähten Wiese neben einem Bach, die Sonne scheint, wir humpeln ein bisschen wie verletzte Tiere durchs Gras und gucken in die Berge hoch. Da sind ein paar Wolken.
...und auch wenn das vielleicht nicht so klingt, es war trotzdem wunderbar und schön und ich bin ein sehr glückliches verletztes Tier :)